Neues zur Anlageberatung: Auf das Beratungsgespräch kommt es an - KSR Law
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Neues zur Anlageberatung: Auf das Beratungsgespräch kommt es an

Oftmals gehen Klagen geschädigter Anleger geschlossener Fondsanlagen (z.B. Schifffonds, Immobilienfonds) verloren, weil sie bei ihrem Beitritt zu dem jeweiligen Fonds durch Unterschrift bestätigt haben, den Verkaufsprospekt erhalten zu haben und auch der Vermittler bestätigt, dass sie vor dem Beitritt zu der Fondsgesellschaft den Verkaufsprospekt erhalten haben. In vielen Fällen beinhaltet der Prospekt zahlreiche Hinweise auf Risiken, auf welche der Anleger durch den Vermittler im Beratungsgespräch nicht aufmerksam geworden ist.

Der BGH hat in einer Entscheidung vom 04.07.2017 – II ZR 358/16 – nochmals bestätigt, dass die Übergabe des Verkaufsprospekts keinen Freibrief dafür ist, die tatsächlichen Risiken in dem Beratungsgespräch hiervon abweichend darzustellen und mit Erklärungen ein Bild zu zeichnen, dass die Hinweise im Prospekt für die Entscheidung des Anlegers entwertet oder mindert.

Insofern kommt es maßgeblich darauf an, ob und auf welche Weise der Anleger in dem Beratungsgespräch über Chancen und Risiken der ihm angebotenen Kapitalanlage aufgeklärt worden ist. Diese Entscheidung des BGH ist nicht nur für Anleger geschlossener Fondsanlagen von Bedeutung. Auch Anleger anderer Kapitalanlagen können hieraus bessere Chancen zur Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen gegen Vermittler, Gründungsgesellschafter, Treuhandkommanditisten oder andere Beteiligte für sich in Anspruch nehmen.

In einer weiteren Entscheidung vom 20.07.2017 – III ZR 296/15 – hat der BGH klargestellt, dass mit der „blinden“ Unterschrift unter eine dem Anleger vorgelegte Beratungsdokumentation nicht ohne weiteres die dreijährige kenntnisabhängige Verjährungsfrist zu laufen beginnt, es vielmehr auf die konkreten Umstände des Einzelfalls ankommt, welche der erkennende Richter in einem Gerichtsverfahren zu berücksichtigen hat.

Er schließt damit an seine Rechtsprechung konsequent an, wonach das nicht erfolgte Studium des Verkaufsprospekts oder des dem Anleger vorgelegten Zeichnungsscheins allein keine grobe Fahrlässigkeit des Anlegers darstellt, sondern auch insofern die Umstände des Einzelfalls einer kritischen Würdigung unterzogen werden müssen (z.B. Inhalt und optische Ausgestaltung der schriftlichen Risikohinweise, Inhalt und Ablauf des Beratungsgesprächs, Zeitpunkt der Unterzeichnung der Beratungsdokumentation und Bildungs- und Erfahrungsstand des Anlegers).

Beide Entscheidungen stellen konkrete Vorgaben für die zur Sachverhaltsaufklärung zuständigen Landgerichte und Oberlandesgerichte dar, die nicht selten sehr oberflächlich Anlegerklagen behandeln und die Auffassung vertreten, dass ein Anleger quasi selbst schuld ist, wenn er risikoreiche Anlagen tätigt und die ihm vorgelegten Unterlagen nicht in aller Ruhe im Detail studiert.