Anleger von Picam, Piccor und des „Piccox Securitisation“-Zertifikats bangen um ihr Geld
06/02/2018BSQ zur Zahlung der Bonuszinsen im Tarif Q12 verurteilt – Urteil des Amtsgerichts Nürnberg
21/02/2018Mehrere Medien berichten übereinstimmend über Razzien, die vor wenigen Tagen auf Veranlassung des Amtsgerichts Tiergarten in Berlin, München, Leipzig und der Schweiz den Komplex Picam-Gruppe, Piccor AG, Piccox betreffend durchgeführt worden sind.
Zu den insgesamt acht Beschuldigten gehören nach Angaben des Handelsblattes u.a. Thomas Entzeroth, Picam-Vertriebschef und Peter Züllig, Verwaltungsrat der Piccor AG, Baar, Schweiz, ein Anwalt aus Mecklenburg-Vorpommern, ein Wirtschaftsprüfer aus Berlin und ein Bankmanager aus Leipzig.
Es besteht der Verdacht der Ermittlungsbehörden, dass die Gelder tausender Anleger, man spricht von bis zu EUR 300 Mio., nicht investiert worden sind. Vielmehr, so der Vorwurf der Strafverfolgungsbehörden, sollen die Beschuldigten das Kapital zwischen Konten, Unternehmen und Fonds zirkulieren lassen und dabei für sich Gebühren und Provisionen abgezweigt haben.
Sollte dies zutreffen, so läge ein großangelegtes und wohl auch kompliziert ausgeklügeltes Schneeballsystem vor. Schneeballsysteme brechen immer über kurz oder lang zusammen, weil schlichtweg der notwendige Vermögenszufluss durch Neuanleger versiegt und daher die bestehenden Anleger nicht mehr ausgezahlt werden können. Dies könnte, wenn man den Berichten Glauben schenkt, nun Ende letzten Jahres der Fall gewesen sein.
Offenbar sind Vermögenswerte von über EUR 80 Mio. vorläufig gesichert worden. Dies könnte Anlegern ermöglichen durch schnelles Handeln Ansprüche zu sichern. Ob dies gelingen wird bleibt abzuwarten, insbesondere da die Ansprüche aller Anleger sehr wahrscheinlich die gesicherten Vermögenswerte übersteigen könnten.
Ob die handelnden Personen, die nun auch als Beschuldigte geführt werden, im Falle einer erfolgreichen Inanspruchnahme auch Zahlungen leisten können werden oder nicht, bleibt ebenso abzuwarten. Insofern sollten geschädigte Anleger nicht unüberlegt und vorschnell vermeintlich aussichtsreiche Maßnahmen ergreifen, sondern sich mit der gebotenen Sorgfalt juristischen Rat suchen und mit einem auf dem Gebiet des Bank- und Kapitalmarktrechts erfahrenen und spezialisierten Rechtsanwalt das weitere Vorgehen und die einzelnen Handlungsoptionen abstimmen.
Betrachtet man die in Rede stehenden Anlageangebote der Picam-Gruppe bzw. der Piccor AG und der Piccox-Inhaberschuldverschreibung anhand der den Anlegern überlassenen Unterlagen genauer, so fallen zahlreiche Ungereimtheiten auf, die auch normalerweise bei den Finanzmaklern, die euphorisch diese Anlageprodukte an ihre Kunden brachten, erhebliche Zweifel an der Seriosität der handelnden Personen und der Anlageangebote hätten hervorrufen müssen. Rechtsanwalt Siegfried Reulein, Nürnberg, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht hat hierzu in seinem Rechtstipp vom 06.02.2018 bereits berichtet.
Das gesamte Anlageangebot ist sehr kritisch zu sehen. Dies ergibt sich schon nach einem Blick auf die Angebotsunterlagen, welche Anlegern zur Verfügung gestellt worden sind. Schon die Inaussichtstellung von Renditen bis zu 20 % hätte v.a. die Vermittler, die arglosen Kunden, diese Anlage angeboten haben, hellhörig werden lassen müssen, ebenso der Umstand, dass aus den Unterlagen gar nicht hervorgeht, wie genau die Anlegergelder investiert werden sollen. Es ist allgemein von Börsentermingeschäften auf eigene Rechnung der Piccor AG die Rede, welche die Vermögensverwaltung betreiben sollte. Die den Anlegern überlassenen Unterlagen tragen dagegen den Schriftzug Picam. Es ist von einer Picam-Gruppe die Rede, einem Konstrukt ohne Rechtspersönlichkeit. Schon dies hätte zu einem kritischen Nachdenken bei Vermittlern führen müssen.
Umso mehr verwundert, dass die vermittelnden Finanzmakler gegenüber Anlegern diese Geldanlage als seriös darstellten, obgleich sie sehr wahrscheinlich selbst nicht verstanden haben, wie die Gelder überhaupt investiert und die atemberaubenden Renditen erwirtschaftet werden sollen. Insofern wird man vielfach von einer provisionsgetriebenen fehlerhaften oder unzureichenden Aufklärung der Anleger durch die eingesetzten Finanzmakler bzw. Anlagevermittler oder Anlageberater ausgehen können.
„Insofern stehen die Vermittler in besonderer Verantwortung gegenüber ihren Anlegern, nicht selten Verwandte und Bekannte, nicht nur moralisch, sondern sehr wahrscheinlich auch in rechtlicher Hinsicht, da – sollten Anleger auf anderem Wege den eingetretenen Schaden nicht ersetzt bekommen – sehr schnell die Finanzvermittler in den Fokus geraten werden. Diese versuchen aktuell wie üblich, die Verantwortung auf andere abzuwälzen, nämlich die Initiatoren, die gerade die Vermittler so perfide getäuscht haben sollen. Würden Vermittler Anlageprojekte des Öfteren einer kritischen Prüfung unterziehen könnten Anlageskandale verhindert oder zumindest in ihrem Ausmaß erheblich vermindert werden.“, meint Rechtsanwalt Reulein, der mehrere betroffene Anleger berät und schon diverse große Anlagebetrugsfälle durch Beratung und Vertretung geschädigter Anleger begleitet hat.